Aminosäuren

Glycin – Anwendung, Wirkung und Nutzen

Informationen aus der Naturheilpraxis René Gräber

René Gräber
René Gräber

Glycin ist die einfachste aller Aminosäuren und kommt in fast allen Proteinen vor. Die Verbindung ist auch Ausgangs-Substrat für andere unentbehrliche Moleküle und den Nährstoff Glucose. Daneben erfüllt Glycin wichtige regulatorische Funktionen. In diesem Beitrag zeige ich, wie bedeutend diese Aminosäure sein kann!

Deswegen kann die Aminosäure in höheren Supplementationen bei vielen Krankheiten helfen. Dazu gehören:

Diabetes,
Fettleber,
Arteriosklerose,
Nervenstörungen,
neurodegenerative Erkrankungen,
Depressionen,
Schlafstörungen,
Bluthochdruck,
Herzinsuffizienz,
mitochondriale Dysfunktion,
endotheliale Dysfunktion,
Bindegewebsschwäche,
Bindegewebsstörung,
Wundheilungsstörungen,
Osteoporose,
Netzhauterkrankungen,
Hemmung des Tumorwachstums,
entzündliche Prozesse,
vorzeitiges Altern,
oxidativer Stress,
Virusinfektion,
Immunschwäche sowie die

Folgen entzündlicher Krankheiten.

Viele der Wirkungen beruhen darauf, dass Glycerin DNA-Schäden verhindern kann und die zellinterne Selbstreinigung verbessert.

Glycin ist eine “besondere”Aminosäure

Glycin (α-Aminoessigsäure, Gly oder G) mit der Summenformel C2H5NO2 ist die kleinste, häufigste und einfachste aller stabilen Aminosäuren. Das Molekül ist nicht chiral, im Gegensatz zu allen anderen biogenen Aminosäuren. Deswegen existiert auch kein L- und D-Glycin. Der menschliche Körper kannGlycin selber herstellen, es ist also nicht essenziell.

Damit wäre die Aminosäure nach gängiger Meinung nicht essenziell. Dennoch stellen sich einige Wissenschaftler die Frage, ob dies so haltbar ist, weil die Ressourcen nicht immer auszureichen scheinen, um den Bedarf zu decken. Glycin müsste nach neueren Erkenntnissen daher mindestens als „bedingt essentiell“ eingestuft werden.

Glycin sorgt für die Stabilität der Molekülgestalt des Kollagens. Das spiralförmige Protein ist aus 3 Eiweißketten zusammengesetzt, die ineinander verdrillt sind (Trippelhelix).

Mit etwa 33 Prozent ist Glycin die am häufigsten vertretene Aminosäure im Kollagen. Dieses Strukturprotein des Bindegewebes ist wichtiger Bestandteil von Knochen, Zähnen, Haut und Sehnen. Rund ein Drittel des gesamten Proteins in unserem Körper befindet sich im Bindegewebe. Bei einem Mangel an Glycin werden daher auch als erstes Kollagene abgebaut. Betroffenen Personen fühlen sich dann oft erschöpft.

Vorkommen in Lebensmitteln und Verwendung

Die Aminosäure ist ein häufiger Baustein nahezu aller Proteine und kommt dementsprechend in allen eiweißreichen Lebensmitteln vor. Aufgrund seiner geringen Größe wird es dabei meist in Bereichen eingebaut, die durch die spezifische Faltung des jeweiligen Proteins und die damit verbundene dreidimensionale Struktur wenig Platz für größere Aminosäuren lassen.

Da Glycin süßlich schmeckt und bisher keinerlei Nebenwirkungen bekannt sind, darf es als Geschmacksverstärker ohne Höchstmengenbeschränkung in Lebensmitteln verwendet werden. Unter der Nummer E 640 wird es etwa in Süßstofftabletten verwendet, Marzipan hält sich durch Glycinzugabe länger feucht, und Schinken wird oft zusätzlich mit Glycin überzogen.

Glycin ist in Infusionslösungen für die parenterale („künstliche“) Ernährung enthalten. Daneben ist die Aminosäure in Pulverform als Nahrungsergänzungsmittel für den Muskelaufbau erhältlich.

Glycin-Mangel

Ein Glycin-Mangel (Hypoglycinaemie) kann sehr verschiedene Ursachen haben. Dazu zählt eine extreme Mangelernährung mit einem Defizit an Eiweißen. Dabei ist oft die Eigen-Produktion ebenfalls eingeschränkt, weil die zur Biosynthese erforderlichen Vitamine nicht ausreichend verfügbar sind.

Darmerkrankungen wie chronische Darmentzündungen können zu Resorptionsstörungen führen, die auch die Aminosäuren betreffen und so die Glycinversorgung gefährden. Aber auch genetisch bedingte Stoffwechselstörungen können einen Glycin-Mangel zur Folge haben. Einige Verbindungen können den Glycin-Stoffwechsel stören. Bekannt ist dieser Effekt für Strychnin, Alkohol und Tetanus-Toxinen.

Symptome wie Konditions- und Leberschwäche sowie Bindegewebsabbau und Muskelstörungen können auf Glycin-Mangel hindeuten. Zusätzlich zeigen sich Störungen des Nerven- und Immunsystems sowie Bronchial-Beschwerden.

Einen Glycinmangel kann man anhand einer Blutuntersuchung feststellen. Bei einem Mangel rate ich generell zu einer Einnahme der Aminosäure Glycin.

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Glycin-Überschuss

Ein Glycin-Überschuss (Hyperglycinämie) kommt auch bei zu eiweißreicher Kost praktisch nicht vor. Die Aminosäure wird im Körper schnell um- oder abgebaut. Dies sieht bei seltenen genetisch bedingten Stoffwechselstörungen jedoch anders aus.

Zu den seltenen Störungen gehört z.B. die Glycin-Enzephalopathie, bei der Enzyme des Glycin-Stoffwechsels defekt sind. Die Akkumulation der Aminosäure führt dann zu gravierenden Beschwerden wie Bewusstseinseintrübungen bis zur Bewusstlosigkeit, verlangsamte Reaktionen, Muskelerschlaffung, Atemnot, Krampfanfällen und Sehstörungen.

Die Diagnose erfolgt zunächst mit einer Ermittlung des Glycinwertes im Blut und Nervenwasser. Ein genetischer Test (Polymerasekettenreaktion, PCR und DNA-Sequenzierung) kann die Diagnose bestätigen.

Die Behandlung zielt dann auf eine medikamentöse Absenkung des Glycin-Spiegels ab. Infrage kommen hier Benzoat, Strychnin und Dextromethorphan. Krampfanfälle sollen durch Carbamacepin verhindert werden.

Parallel sind diätetische Maßnahmen angezeigt. Die Ernährung soll dann nur wenig Eiweiß, aber auch nur geringe Zuckermengen beinhalten.

Glycin einnehmen

Glycin ist vor allem als Präparat zum Muskelaufbau auf dem Markt. Im Hinblick auf die beschriebenen Nutzen bei diversen Gesundheitsstörungen kommt Glycin aber auch für die unterstützende Behandlung einiger Krankheiten infrage. Zur alleinigen Therapie ist die Aminosäure im Allgemeinen nicht geeignet, es sei denn, der Arzt ordnet dies an.

Glycin wird als loses Pulver und als Kapseln mit meistens 500 mg Glycin vermarktet. Davon sollen laut Herstellerangaben bis zu 2 Kapseln täglich mit einem Glas Wasser eingenommen werden. Diese Menge entspricht dem Glycin-Gewicht in rund 100 g Fleisch. Wer sich für das Pulver entscheidet, braucht eine Feinwaage.

1 g Glycin pro Tag erscheint nach heutigem Expertenwissen allerdings sehr niedrig angesetzt zu sein. Wissenschaftler, die sich mit dem Thema befassen empfehlen mindestens 12 g.

Die in Deutschland angebotenen Produkte entsprechen den Reinheits-Kriterien der Lebensmittelgesetze. Vorsicht ist lediglich bei Angeboten unklarer Herkunft geboten, wie man sie im Internet oder Flohmärkten antrifft.

Nebenwirkungen durch die vorschriftsmäßige Einnahme sind nicht zu erwarten. Nur bei sehr hohem zusätzlichen Eiweißverzehr kann die Gesamt-Protein-Menge zu Nierenschäden führen.

Spezielle Funktionen von Glycin im Stoffwechsel

Glycin kann auf verschiedene Art gebildet werden, unter anderem aus der Aminosäure Serin. Hierbei entstehen zusätzlich zum Glycin auch Vorstufen für Thymin, einen Baustein unserer Erbsubsubstanz (DNA). An der Bildung der Purine, bei denen es sich ebenfalls um Basen unserer Erbsubstanz handelt, ist Glycin direkt beteiligt.

Glycin ist wichtiger Bestandteil des Proteins Glutathion, das im Körper als Radikalfänger arbeitet und so reaktive Stoffe unschädlich macht, bevor diese empfindliche Zellbestandteile schädigen können.

Auch spielt das Glycin eine wichtige Rolle bei der Synthese von Häm, dem eisenhaltigen Farbstoff der roten Blutkörperchen, das der Sauerstoffbindung dient (siehe auch: Hämoglobinwert im Blut).

Die organische Säure Kreatin wird ebenfalls aus Glycin gebildet. Sie versorgt die Muskelzellen mit Energie und ist hier vor allem für die Kontraktion nötig. Für diesen Umstand interessieren sich vor allem Kraftsportler. Und die Sache mit dem Kreatin (auch Creatin geschrieben), ist hochinteressant, weswegen ich dazu einen mehrseitigen Report verfasst habe: Kreatin – Fakten für Sportler und Patienten.

Der Körper kann aus Glycin Traubenzucker herstellen. Diese „glucogene Funktion“ der Aminosäure ist für den Energiestoffwechsel dann wichtig, wenn bei Kohlenhydratmangel die Eiweißspeicher angezapft werden.
Darüber hinaus wirkt Glycin als Neurotransmitter.

Glycin-Rezeptoren sind vor allem im Hirnstamm und Rückenmark angesiedelt. Die Aminosäure zählt zu den inhibitorischen Transmittern, blockiert also die Weiterleitung von Signalen.

Die Leber braucht Glycin für Entgiftung-Reaktionen. Dabei wird Glycin an toxische Verbindungen gekoppelt, die auf diese Weise wasserlöslich werden. In dieser Form können die Gifte über die Nieren ausgeschieden werden.

Glycin hemmt den Umsatz von NADPH (Nicotinamidadenindinukleotidphosphat). Diese Redoxverbindung muss stets in Reserve gehalten werden, weil sie für viele Stoffwechselvorgänge gebraucht wird. Dazu zählen die beispielsweise die Fettsäure-Produktion, die Entgiftung und Teile des genetischen Stoffwechsels.

Die Reduzierung des NADPH-Verbrauchs ist wohl auch ein Faktor bei der entzündungshemmenden Wirkung von Glycin. Fest steht hingegen, dass die Aminosäure die entzündungsfördernden Zytokine des Immunsystems herunterreguliert.

Durch die Stärkung der Kollagenstrukturen kann Glycin Viren daran hindern, in Wirtszellen einzudringen, wo sie vom Zellstoffwechsel vermehrt werden und schließlich freigesetzt werden. Die Zelle geht dabei zugrunde. Daneben hemmt die Aminosäure auch die Bildung von Tochter-Viren in der Zelle.

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Wissenschaftliche Studien zu Glycin

Wegen der vielfältigen Funktionen von Glycin wird die Aminosäure auch als Bioregulid bezeichnet. So haben Wissenschaftler festgestellt, dass Glycin zur Aufrechterhaltung der Muskelsubstanz beiträgt.

Eine Studie am Menschen weist darauf hin, dass die Eigen-Synthese von Glycin nur etwa 85 % des benötigten Tagesbedarfes decken kann. Die Forscher schlagen deshalb vor, die Richtlinien für die tägliche Aufnahme der Aminosäure anzuheben, und fordern sogar eine Supplemtierung von 10 g Glycin pro Tag (A weak link in metabolism: the metabolic capacity for glycine biosynthesis does not satisfy the need for collagen synthesis).

Besonders Krebspatienten sollten daher auf eine ausreichende Glycin-Versorgung achten, weil der Körper in dieser Situation stark auszuzehren droht.

Zudem hemmt die Aminosäure das Tumorwachstum, weil die Angiogenese blockiert wird. Darunter versteht man die Invasion neuer Blutgefäße in den Tumor, der diesen Prozess hormonell anregt (Yamashina, Shunhei et al. „Glycine as a potent anti‐angiogenic nutrient for tumor growth.“ Journal of gastroenterology and hepatology 22.s1, 2007: S62-S64.).

Die Hemmung der Angiogenese konnte in einem weiteren Versuch an Mäusen bestätigt werden. Tumore aus implantierten Krebszellen (B16-Melanomzellen) wiesen nach 14-täiger Gabe einer 5%-igen Glycin-Ernährung 70 % weniger Arterien auf als die Tumore der Kontrolltiere. Infolgedessen war auch die Tumor-Größe um 50 bis 70 % geringer (Dietary glycine inhibits the growth of B16 melanoma tumors in mice).

Glycin fördert die Ausschüttung des Wachstums-Hormons Somatotropin Auch dadurch erhält der Körper den Bestand seiner normalen Gewebs-Proportionen (Kasai, Kikuo et al. „Glycine stimulates growth hormone release in man.“ Acta endocrinologica 93.3, 1980: 283-286.).

Glycin kann bei Mäusen den Knochenabbau hemmen, nachdem den Tieren die Eierstöcke entnommen worden waren. Dieses Tiermodell sollte die postmenopausale Pause imitieren. Eine Glycin-Versorgung mit 10 mg/kg Körpergewicht konnte nach acht Wochen die  MG-63-Osteoblasten aktivieren, die neue Knochenzellen generieren. Die Östrogen-Ausnutzung wurde mit Glycin durch Hochregulierung der Östrogen-Rezeptoren gesteigert. Die Forschenden schlagen aufgrund der Ergebnisse vor, die Aminosäure bei postmenopausalen Störungen einzusetzen (Estrogen-like osteoprotective effects of glycine in in vitro and in vivo models of menopause).

Glycin konnte im Tier-Experiment Entzündungs-Mediatoren regulieren und die Aktivität von Leber-Makrophagen (Kupffer-Zellen) hemmen. Dadurch wurden bei Mäusen toxische Wirkungen auf die Leber abgeschwächt (Xu, F. L., ent al., Glycine attenuates endotoxin-induced liver injury by downregulating TLR4 signaling in Kupffer cells, 2008 Jul;196(1):139-48amjsurg.2007.09.045, doi: 10.1016/j.amjsurg).

Bei Mäusen wurde experimentell nachgewiesen, dass Glycin einige Folgen von Tumor-Erkrankungen lindern konnte. Dazu zählen der Verlust von Fett- und Muskelgewebe, ein geringer Anstieg der Entzündungsmarker und eine Herabsetzung des oxidativen Stresses. Die Muskelfunktion konnte Glycin stärken und einen allgemeinen Gewichtsverlust mildern (Glycine administration attenuates skeletal muscle wasting in a mouse model of cancer cachexia).

Glycin senkt die Konzentration der Aminosäure Methionin und verringert so die Methionin-Glycin-Relation. Das bewerkstelligt ein Enzym namens Glycin-N-Methyltransferase (GNMT), das S-Adenosyl-L-Methionine und Glycin in S-Adenosyl-L-Homocystein und Methylglycin (Sarcosin) umwandelt. Daraus ergeben sich zwei positive Wirkungen. Erstens regt Sarcosin die Autophagie an. Dieser zellinterne Prozess beseitigt Stoffwechselabfälle in den Zellen und dient damit der Regeneration in den Geweben. Dadurch wird die Lebenserwartung verlängert. Zweitens hat die reduzierte Konzentration von Methionin, das für Tumorzellen ein wichtiges Substrat darstellt. Mangelt es daran, werden die Krebszellen im Wachstum gehemmt. Daneben kann ein niedriger Methionin-Spiegel den Blut-Glucose-Gehalt und die Wirkung von Insulin und des Insulinartigen Wachstumsfaktors 1 (IGF-1) regulieren. Deswegen wird Glycin auch als Methionin-Restriktions-Mimetikum oder auch als Kalorien-Restriktions-Mimetikum bezeichnet, das den Alterungs-Prozess bremst. Diese Ergebnisse aus vielen Studien mit Tierversuchen, klinischen Arbeiten und Zellkulturen werden in diesem Artikel dargestellt: Glycine and aging: Evidence and mechanisms. In Tierversuchen mit Ratten konnte ein Futter mit 8 % Glycin die Lebenserwartung um 4 % bis 6 % erhöhen. Grund waren offenbar die erniedrigten Nüchternblutzucker, die ausbalancierten Blutfettwerte und der ebenfalls niedrige Insulinartigen Wachstumsfaktor 1 (IGF-1) (Dietary glycine supplementation mimics lifespan extension by dietary methionine restriction in Fisher 344 rats). Andere Studien sprechen bei einer 8- bis 12-prozentigen Glycin-Supplementation von einer Lebensverlängerung der Tiere von über 28 %. Wahrscheinlich beugt die Aminosäure auch der Faltenbildung beim Älterwerden vor, weil das Bindegewebe der Haut durch optimale Kollagensynthese gestärkt wird. Gewöhnlich nimmt der Kollagen-Gehalt der Haut mit jedem Lebensjahrzehnt um 10 % ab.

Eine Studie an acht Patienten mit HIV-Infektion und acht Gesunden als Kontrollgruppe zeigte eine Linderung der Symptome einer vorzeitigen Alterung. Offensichtlich resultierte diese Glycin-Wirkung aus der gestiegenen Glutathion-Konzentration (Glycine and N-acetylcysteine (GlyNAC) in Aging HIV Patients Improves Oxidative Stress, Mitochondrial Dysfunction, Inflammation, Endothelial Dysfunction, Insulin Resistance, Genotoxicity, Strength, and Cognition: Results of an Open-Label Clinical Trial).

Die Aminosäure sorgt bei optimaler Versorgung für eine stabile extrazelluläre Matrix, die einen Schutzwall gegen die Invasion Viren in die Körperzellen darstellt. Das zeigt eine Studie an 85 Freiwilligen, die in eine Verum- und eine Placebo-Gruppe geteilt wurden. Nach 3 Jahren befragten die Forscher die Teilnehmer nach stattgehabten Infektionen. Dabei stellte sich heraus, dass in der Verum-Gruppe viel weniger Virus-Infektionen aufgetreten waren als in der Placebo-Gruppe. Die tägliche Einnahme-Dosis betrug 10 g Glycin pro Tag. Eine feste Kollagen-Schicht in den Geweben hemmt auch die Ausbreitung von Bakterien und Pilzen im Organismus. Eine optimale Glycin-Aufnahme ist auch der beste Schutz gegen solche Viren, die die Kollagensynthese hemmen oder den Abbau von Proteinen enzymatisch fördern. Besonders effektiv ist Glycin dann, wenn gleichzeitig viel Vitamin C aufgenommen wird. Der Vitalstoff ist für die Kollagensynthese ebenfalls erforderlich (Glycine can prevent and fight virus invasiveness by reinforcing the extracellular matrix).

Labor-Versuche an Schweinenierenzellen (PK-13) zeigen, dass Glycin den Zusammenbau der Virushülle in der Zelle hemmt. Dies geschieht durch eine Stabilisierung der viralen Kapsid-Proteine, aus denen dieser Virus-Mantel besteht (Changes in Membrane Dielectric Properties of Porcine Kidney Cells Provide Insight into the Antiviral Activity of Glycine).

Glycin ist an der Synthese von Gallensäure beteiligt, die der Fettverdauung dient. Weiterhin regt die Aminosäure das Immunsystem an und kann Infektionen des Darms und anderer Organe abschwächen. Unterschiedliche Untersuchungen haben gezeigt, dass auch durch Alkoholmissbrauch verursachte Leberschäden durch Glycin gemildert werden können (Kugler H. G.: Entgiftung und Mikronährstoffe; CO`MED; 4; 2004;).

Auch der nicht alkoholischen Fettleber kann Glycin vorbeugen. Die Aminosäure steigert die Sezernierung des Hormons GLP-1, das Fettsäuren aus Fettzellen freisetzt. Der Botenstoff steigert auch die Wirkung von Insulin. Dadurch werden Blutzuckerspitzen nach kohlenhydratreichen Mahlzeiten verhindert. Hierzu hatte ich mir drei Studien angesehen:

  • Gameiro, A et al. „The neurotransmitters glycine and GABA stimulate glucagon‐like peptide‐1 release from the GLUTag cell line.“ The Journal of physiology 569.3, 2005: 761-772.
  • Lee, Jinmi et al. „GLP-1 receptor agonist and non-alcoholic fatty liver disease.“ Diabetes & metabolism journal 36.4, 2012: 262-267.
  • Villanueva-Penacarrillo, ML et al. „Effect of GLP-1 on lipid metabolism in human adipocytes.“ Hormone and metabolic research 33.2, 2001: 73-77.

Typ-2-Diabetiker können von Glycin noch ebenfalls profitieren. In einer Studie konnte mit der Gabe von 5 g Glycin pro Tag die Ausschüttung von entzündungsfördernden Cytokinen gesenkt werden. Die Konzentration von glykiertem Hämoglobin (HbA1, “Langzeitzucker“) wurde ebenfalls reduziert. Das antivirale und antitumorale Interferon-gamma wurde durch die Supplementierung hingegen erhöht. Die Wissenschaftler schlagen deshalb vor, Glycin gegen Langzeitschäden von Diabetes einzusetzen. Auch die angeborenen und erworbenen Immunreaktionen können bei den Kranken gestärkt werden, so die Forscher (Cruz, M. Et al., Glycine treatment decreases proinflammatory cytokines and increases interferon-gamma in patients with type 2 diabetes, 2008 Aug;31(8):694-9. doi: 10.1007/BF03346417).

Glycin greift in den Stoffwechsel von Stickstoffmonoxid ein. Dieses einfachste aller Hormone reguliert den Blutdruck und erhöht den Fettsäureabbau. Die Aminosäure steigert auch die Bereitstellung von Stoffwechselenergie in den Mitochondrien. Auch hierzu zwei Studien:

El Hafidi, Mohammed, Israel Pérez, and Guadalupe Baños. „Is glycine effective against elevated blood pressure?.“ Current Opinion in Clinical Nutrition & Metabolic Care 9.1, 2006: 26-31

El Hafidi, Mohammed et al. „Glycine intake decreases plasma free fatty acids, adipose cell size, and blood pressure in sucrose-fed rats.“ American Journal of Physiology¬Regulatory, Integrative and Comparative Physiology 287.6,2004: R1387-R1393

Im Zentralnervensystem dient Glycin als Neurotransmitter, also als Botenstoff, der Informationen von einer Zelle auf die andere weiterleitet. Dabei wirkt die Aminosäure inhibitorisch, das heißt, sie hemmt die nachgeschaltete Nervenzelle in ihrer Aktivität. Hierbei wirkt sich Glycin vor allem auf die Bewegung aus und verringert die Muskelkontraktion.

Beim Wundstarrkrampf (Tetanus) verhindert ein Giftstoff des Bakteriums Clostridium, dass Glycin im Zentralnervensystem ausgeschüttet wird. Hierdurch können die Muskeln nicht mehr erregt werden und es kommt in der Folge zu starken Krämpfen, die unbehandelt zum Tode führen. Ähnlich wirkt Strychnin, ein natürlich vorkommendes Gift der Brechnuss, das früher als Rattengift verwendet wurde (Schütt-Gerowitt H.: Clostridium tetani; Lexikon der Infektionskrankheiten des Menschen; Springer-Verlag; 2009; S. 177-179).

Doch das Glycin des Zentralnervensystems, das sowohl im Hirnstamm als auch im Rückenmark der mengenmäßig überwiegende Botenstoff ist, hat nicht nur für die Muskelaktivität entscheidende Bedeutung, sondern wirkt sich auch positiv auf das Gedächtnis, den Schlaf, Sinneseindrücke und das Schmerzempfinden aus (Hevers W. et al.: Neurotransmitter und Modulatoren; Handbuch der Psychopharmakotherapie; Springer-Verlag; 2008; S. 149-199).

Erst 2023 entdeckten Forschende, dass es im Nervensystem auch einen metabotropen Rezeptor gibt, der auf Glycin anspricht. Dieses Transmembranprotein namens mGlyR (Metabotroper Glycin-Rezeptor) gehört zu einer Klasse von Effektoren, die die Reizweiterleitung über einen weiteren Botenstoff, den sogenannten second Messenger steuern. Glycin signalisiert dem mGlyR, die Produktion von Adenosin-3′,5′-Monophosphat zu hemmen, das als ein solcher second Messenger fungiert. Die Entdeckung des Rezeptors war für Neurowissenschaftler überraschend (Orphan receptor GPR158 serves as a metabotropic glycine receptor: mGlyR).

Glycin kann im Tierversuch neuroprotektive Wirkungen entfalten. In einer Studie wurden Mäuse durch d-Galactose unter oxidativen Stress gesetzt, wodurch Nervenschäden entstehen. Die toxische Wirkung wurde durch Glycin praktisch umgekehrt, weil verschiedene physiologische Reaktionen wie Entzündungen gehemmt wurden. Der Effekt konnte auch anhand von weniger stark ausgeprägten Verhaltensauffälligkeiten der Tiere im Vergleich zur Kontrollgruppe gezeigt werden. In der  Behandlung von Depressionen könnte die Erkenntnis künftig eine Rolle spielen (Glycine, the smallest amino acid, confers neuroprotection against d-galactose-induced neurodegeneration and memory impairment by regulating c-Jun N-terminal kinase in the mouse brain).

Glycin kann über den Weg der Thermoregulation die Schlafqualität verbessern. Die Aminosäure kann den Rezeptor für N-Methyl-D-Aspartate (NMDA) triggern und so zu einer Vasodilatation (Gefäßerweiterung) herbeiführen. In Versuchen reichte eine Dosierung von 3 g Glycin vor dem Zubettgehen aus (The Sleep-Promoting and Hypothermic Effects of Glycine are Mediated by NMDA Receptors in the Suprachiasmatic Nucleus).

Den erstaunlichsten Befund zur Wirkung von Glycin erbrachten Untersuchungen an Zellkulturen. Hier konnte Glycin die Genaktivität beeinflussen. Gene, die in gealterten Zellen nicht mehr aktiv waren, konnten mit Glycin-Gaben “wiedererweckt” werden. Das führt beispielsweise zur Regeneration von Mitochondrien in älteren Zellen (Epigenetic regulation of the nuclear-coded GCAT and SHMT2 genes confers human age-associated mitochondrial respiration defects).

Glycin zählt mit Cystein und Histidin zu den drei Aminosäuren, die Entzündungen in den Herzkranzgefäßen lindern können. Belege dafür liefert eine Studie an Endothel-Zellen dieser Blutgefäße (Human Coronary Arterial Endothelial Cells, HCAECs). Die Aminosäuren konnten die Konzentration von Mediatoren (Nuclear Factor-kappa B, Inhibitor κBα, E-Selectin und Interleukin 6 a) blockieren, die in den Gefäßauskleidungen Entzündungen fördern und auf diese Weise Arteriosklerose vorantreiben (Hasegawa, S. Et al., Cysteine, histidine and glycine exhibit anti-inflammatory effects in human coronary arterial endothelial cells, 2012 Feb;167(2):269-74, doi: 10.1111/j.1365-2249.2011.04519.x).

In die gleiche Richtung weist eine Studie, die eine Herabsetzung der Konzentration oxidativer Stoffwechsel-Produkte durch Glycin nachweist. Neben einer Placebo-Gruppe erhielten Studien-Teilnehmer 15 g Glycin pro Tag. Die gemessenen Parameter zeigen eine reduzierte Aktivität der schädlichen Oxidantien. Daneben konnte Glycin auch den systolischen Blutdruck senken (Díaz- Flores, Margarita, et al., Oral supplementation with glycine reduces oxidative stress in patients with metabolic syndrome, improving their systolic blood pressure, 2013 Oct;91(10):855-60, Epub 2013 Jun 17, doi: 10.1139/cjpp-2012-0341) und eine Herzinsuffizienz durch Hypertrophierung des Herzmuskels verhindern helfen, worauf Tierversuche hindeuten (Glycine prevents pressure overload induced cardiac hypertrophy mediated by glycine receptor).

Die gleichzeitige Gabe von Glycin und Cystein steigert die Konzentration von Glutathion. Ein Mangel des wichtigen Antixidans wird vor allem bei schlecht eingestelltem Diabetes Typ 2 zum Problem. Die Aminosäuren können den Forschern zufolge helfen, den Langzeitfolgen von Diabetes entgegenzuwirken (Sekhar, R. V., et al., Glutathione synthesis is diminished in patients with uncontrolled diabetes and restored by dietary supplementation with cysteine and glycine, 2011 Jan;34(1):162-7, Epub 2010 Oct 7, doi: 10.2337/dc10-1006).

Eine Kombination von Glycin und N-Aetylcystein (GlyNAC) kann über eine Optimierung der  Glutathion-Versorgung eine ganze Reihe anderer oxidativer Schäden lindern. Eine dreijährige Studie mit Senioren zeigte die Verbesserung der Mitochondrien-Funktion und damit eine weitgehende Vermeidung der mitochondrialen Dysfunktion. Glycin stärkt die Muskelfunktion und die Insulinsensitivität, senkt Entzündungswerte, stärkt die Gefäßinnenwände und hemmt die Wirkung mutagener Chemikalien. Die Forschenden sind auf Grundlage der Ergebnisse zu dem Schluss gekommen, eine Supplementierung mit GlyNAC könnte die Kondition und die kognitive Kompetenz im Alter steigern sowie weiteren Altersbeschwerden vorbeugen (Glycine and N-acetylcysteine (GlyNAC) supplementation in older adults improves glutathione deficiency, oxidative stress, mitochondrial dysfunction, inflammation, insulin resistance, endothelial dysfunction, genotoxicity, muscle strength, and cognition).

Die Medizin nutzt die unterschiedlichen positiven Wirkungen von Glycin deswegen erfolgreich gegen Arteriosklerose, Herzinfarkt sowie Arthritis und Gicht. Da Glycin die Ausschüttung von Glucagon fördert, kann es außerdem bei einem zu geringen Blutzuckerspiegel hilfreich sein.

Darüber hinaus wird Glycin bei Panikattacken und Schlafstörungen empfohlen. Patienten mit Osteoporose oder Arthrose können ebenfalls mit Glycin behandelt werden, wodurch sich ihr Zustand merklich verbessert.

Glycin hat sich als Entgiftungsmittel herausgestellt. Die Aminosäure hat strukturelle Ähnlichkeiten mit dem Herbizid Glyphosat, dessen wissenschaftlicher Name N-(Phosphonomethyl)glycin schon darauf hinweist. Deshalb kann Glyphosat auch von Glycin ausgehend synthetisiert werden.

Gelangt das Herbizid in den Körper, “verwechseln“ Enzyme die Verbindung mit der Aminosäure, die dann in Proteine eingebaut wird. Dieser Verdacht wird von einigen Wissenschaftlern geäußert. Als Gegenmaßnahme wird die orale Applikation von Glycin empfohlen, weil den Enzymen so ihr Substrat im Übermaß angeboten wird. Nach und nach verschwindet das Herbizid aus dem Körper. Neben Glycin in supplementären Dosierungen, kommt auch Glyphosat D30 infrage.

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Beitragsbild: 123rf.com – kerdkanno

Dieser Beitrag wurde am 03.12.2023 aktualisiert.

René Gräber

René Gräber

Seit 1998 bin ich in eigener Naturheilpraxis tätig und begleite seitdem Patienten mit den unterschiedlichsten Beschwerden und Erkrankungen. Dabei spielen zahlreiche Vitalstoffe in der Behandlung eine Rolle, die in zahlreichen Fällen enorm helfen können.

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